Rückblick auf die letzten fünf Wochen
In den letzten fünf Wochen ging es an den Weltmärkten drunter und drüber. In dieser Analyse fasse ich nochmals die wichtigsten Geschehnisse zusammen und zeige auf, wo Handlungsbedarf besteht.
Inhaltsverzeichnis
Der US-Arbeitsmarkt kühlt sich immer stärker ab
Stark ansteigende Zahlungsunfähigkeit bei US-Privathaushalten
Die Fed ändert ihre Geldpolitik mit Juni
Künstliche Intelligenz geht in die zweite Runde
Asienkrise spitzt sich weiter zu
Eigentlich sollte die geplante Pause nur 2-3 Wochen dauern, doch dann kam alles anders.
Wer schon einmal zwei Wohnungen zur gleichen Zeit beziehen und fast sein gesamtes Hab und Gut von Schimmel befreien musste, hat so ein kleine Ahnung dessen, wie die vergangenen Wochen bei mir ausgesehen haben.
Doch aller Widrigkeiten zum Trotz blieb ich auch in dieser Zeit über die Weltmärkte am Laufenden und war erstaunt darüber, welche Verrücktheiten sich an den Börsen in den letzten paar Wochen abgespielt haben.
Meme-Stocks sind zurück
Mit Keith Gills Rückkehr auf X erleben Meme-Stocks gerade ihr Comeback – und auch diesmal hat es die Meute auf Shortseller und Hedgefonds abgesehen.
Bereits 2021 sorgte Keith Gill (alias Roaring Kitty, alias u/DeepFuckingValue) international für Schlagzeilen. Als Galionsfigur hinter der Wallstreetbets-Bewegung hatte er maßgeblichen Anteil am Anstieg der GameStop-Aktie. Innerhalb weniger Wochen vervierundzwanzigfachte sich das Wertpapier des stark leerverkauften Unternehmens. Das selbst erklärte Ziel der damaligen Bewegung war es, die drohende Insolvenz des Unternehmens zu verhindern und Shortseller sowie Hedgefonds mittels Short Squeeze dafür büßen zu lassen. Business Insider schätzte die dadurch entstandenen Verluste bei Hedgefonds auf insgesamt 19 Milliarden US-Dollar.
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Die Geschichte wiederholt sich – und abermals betrifft es vor allem die Aktie von GameStop: So stieg der Kurs von rund 10 US-Dollar innerhalb weniger Tage auf über 50 US-Dollar an. Den Tweets von Roaring Kitty zufolge, soll es auch dieses Mal die Shortseller treffen, die mittels Leerverkäufen versuchen, den Aktienkurs zu drücken. In nur zwei Tagen haben so Hedgefonds bereits mehr als 5 Milliarden US-Dollar verloren.
Was sind Leerverkäufe und was ist ein Short Squeeze?
Ein Leerverkauf ist der Verkauf von Aktien, die man zum Zeitpunkt des Verkaufs gar nicht besitzt und sich verpflichtet, diese zu einem späteren Zeitpunkt zurückzukaufen. Die Differenz ist der Gewinn. Zugleich wird der Erlös aus dem Verkauf als Sicherheit (Margin) hinterlegt, zusätzlich wird in der Praxis meist gehebelt. Steigt nun der Preis des Wertpapiers wider Erwarten an, erhält der Leerverkäufer (Shortseller) einen sogenannten »Margin Call« von seinem Broker und ist nun gezwungen, weitere Sicherheiten zu hinterlegen oder die Position mit Verlusten glattzustellen. Bei einem Short Squeeze durchlebt das Wertpapier enorme Kurssprünge innerhalb kürzester Zeit, mit dem Ziel möglichst viele Leerverkäufer rauszudrängen. Durch diese (Rück)Käufe werden die Kursanstiege noch weiter befeuert.
Wie davon profitieren?
Wie bereits schon beim Letzten Mal sind sowohl Aktienkäufe von GameStop, AMC als auch Blackberry oder der davon ebenfalls betroffenen Trump Media & Technology Group hochspekulativ und mit hohen Verlustrisiken behaftet. Risikoaverse Börsianer machen lieber einen weiten Bogen um diese Meme-Stocks und betrachten dies volatile Treiben aus der Ferne.
Der US-Arbeitsmarkt kühlt sich immer stärker ab
Bereits letzten Monat wiesen die Daten auf eine Abkühlung des US-Arbeitsmarktes hin: So stieg zwar insgesamt die Anzahl neu geschaffener Stellen weiter an, doch seit Dezember 2023 findet eine Verschiebung von Voll- zu Teilzeitjobs statt. Insgesamt 1,347 Millionen Vollzeitjobs wurden in den letzten zwölf Monaten gestrichen und durch Teilzeitjobs ersetzt.
Diese auf einen Wandel am US-Arbeitsmarkt hindeutende Datenlage wurde mit dem aktuellen Arbeitsmarktbericht weiter untermauert: Denn die Einstellungsquote ist mit 3,5 Prozent auf den niedrigsten Stand seit 2014 gefallen.
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Für Daniel Zhao (Glassdoor) geben diese Zahlen »Anlass zur Sorge. […] Die Einstellungsquote fiel auf 3,5 Prozent und erreichte damit den niedrigsten Stand nach der Pandemie. Die Kündigungsquote fiel auf 2,1 Prozent und damit auf den niedrigsten Stand seit August 2020. [Diese Daten seien] ein Zeichen dafür, dass die Arbeitgeber zögern, neue Mitarbeiter einzustellen, und die Arbeitnehmer zögern, zu einem neuen Arbeitsplatz zu wechseln. […] Geringe Neueinstellungen, Kündigungen und Entlassungen [seien zudem] eine ungewöhnliche Kombination, die auf einen gewissen Lock-in auf dem Arbeitsmarkt hindeutet.«, so der Chefökonom von Glassdoor.
Wie davon profitieren?
Die Datenlage verdichtet sich, dass die US-Arbeitslosenzahlen schon bald explosionsartig nach oben schnellen könnten. Wäre das der Fall, heißt es, unbedingt aus dem Aktienmarkt auszusteigen, da steigende Arbeitslosenzahlen in der Vergangenheit immer mit fallenden Börsenkursen korreliert haben. Daher heißt es schon jetzt auf der Hut zu sein. Risikoaverse Börsianer machen es wie Buffett und legen sich genügend Barreserven zur Seite. Auch ein Engagement in Staatsanleihen, Edelmetalle oder Rohstoffe (nicht über ETFs oder Aktien) könnte sich lohnen.
Stark ansteigende Zahlungsunfähigkeit bei US-Privathaushalten
Nachdem die Ersparnisse der US-Amerikaner aus den Staatshilfen während der Pandemie mittlerweile vollständig aufgebraucht sind, stiegen zuletzt die Kreditkartenschulden von US-Privathaushalten auf ein Allzeithoch.
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Wie nun von Capital One, einem der größten US-Kreditkartenunternehmen, in ihren aktuellen Quartalsberichten bekannt wurde, stieg deren Rückstellungsquote auf alarmierende 5,9 Prozent. Das ist ein Anstieg von mehr als 230 Prozent innerhalb der letzten beiden Jahre, was auf eine erhebliche Anzahl an Konten hinweist, die aufgrund von Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden mussten.
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Auch die offiziellen Zahlungsausfallraten stiegen bei Kreditkarten mit 9 Prozent sowie 8 Prozent bei KFZ-Krediten auf den höchsten Stand seit 2011. Studienkredite sind derzeit zwar noch bis einschließlich August diesen Jahres von Rückzahlungen befreit, liegen aber mit einer Schuldenlast von 1,6 Billionen US-Dollar und Zinssätzen zwischen 6,53 Prozent (bei Bachelorstudenten) bis 9,1 Prozent (Graduiertendarlehen) aktuell auf einem Allzeithoch.
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Zusätzlich sind in den letzten sechs Monaten die Hälfte der zum damaligen Zeitpunkt zehn größten Fast-Food-Ketten unter Druck geraten. Während Unternehmen wie McDonald‘s oder Restaurant Brands International zur Zeit stagnieren, liegen die Aktien von Wendy‘s, Darden Restaurants oder Starbucks teils deutlich im Minus. Insgesamt liegen US-Restaurants in ihrer Halbjahresperformance gerade mal so über fünf Prozent.
Wie davon profitieren?
Eine zunehmende Anzahl an Zahlungsausfällen und Rückgänge im Fast Food Sektor weisen nicht nur darauf hin, dass die Verbraucher mit der Inflation und übermäßigen Ausgaben zu kämpfen haben, sondern dienen auch als Frühindikator für bevorstehende wirtschaftliche Probleme. Das mit Anfang September endende Moratorium für Studienkredite wird zudem die US-Kleinbanken zusätzlich auf die Probe stellen. Spätestens jetzt wäre der Zeitpunkt gekommen, die eigenen Positionen auf Aktien oder Anleihen im europäischen oder US-Finanzsektor glattzustellen, denn Probleme einzelner Institute haben üblicherweise Auswirkungen auf die gesamte Branche.
Die Fed ändert ihre Geldpolitik mit Juni
Auch wenn Ökonomen weitestgehend der Meinung sind, dass die US-Wirtschaft sich am Anfang einer Stagflation befinde, und Märkte mittlerweile davon ausgehen, dass in diesem Jahr wohl nur noch mit zwei Zinssenkungen zu rechnen sei, verstärkt die Fed ihr Vorgehen zur Aufhebung ihrer restriktiven Geldpolitik.
Was ist Stagflation?
Stagflation ist die Zusammensetzung der beiden Wörter Stagnation und Inflation und erlangte während der beiden Ölkrisen der 1970er- und 1980er-Jahre zweifelhafte Berühmtheit. Befindet sich eine Wirtschaft in einer Stagflation, herrscht entweder kein oder nur ein geringes Wirtschaftswachstum in Zeiten der Inflation. Dadurch befindet sich die Wirtschaft in der bedrohlichen Situation höherer Arbeitslosigkeit bei gleichzeitig weiter steigenden Preisen, was in weiterer Folge zu einem Kaufkraftverlust und dem Versiegen von Kapital- und Warenströmen führt. Im schlimmsten Fall droht eine Rezession. Um dem vorzubeugen und eine Stagflation zu bekämpfen, müssen Notenbanken durch eine restriktive Haltung die Geldmenge weiter reduzieren – zum Beispiel durch eine Erhöhung der Leitzinsen.
Denn auch wenn wir auf Zinssenkungen weiter warten müssen, beginnt die Fed bereits im Juni damit, ihr zusätzliches Geldverknappungsprogramm (Quantitative Tightening) ab nächstem Monat langsam auslaufen zu lassen – und das, obwohl sich aktuell noch immer fast die doppelte Geldmenge im System befindet als vor der Pandemie. Zugleich zeigt aber der Financial Conditions Index, dass Geld bereits jetzt schon wieder so günstig zu haben ist, wie zur Zeit vor Beginn der Zinserhöhungen im Jahr 2021.
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Wie davon profitieren?
Kurzfristig wird es zu einem weiteren Anstieg an den Aktienmärkten kommen, allerdings droht dadurch auch gleichzeitig ein Wiederaufflammen der Inflation, was den ohnehin schon unter Druck stehenden Finanzsektor noch weiter belasten würde. In so einer Situation müssen Börsianer sehr vorsichtig sein, da es dann jederzeit zu einem Kippen der Stimmung kommen kann und die lockere Geldmenge zulasten der zu diesem Zeitpunkt schlechteren Wirtschaftslage in den Hintergrund rückt.
Künstliche Intelligenz geht in die zweite Runde
Noch ist nicht absehbar, welche Auswirkungen der diesen Montag von OpenAI veröffentlichte Sprachbot GPT-4o auf die Finanzwelt haben wird, doch es wird davon auszugehen sein, dass mit diesem Mehr an Funktionsumfang nun weitere Unternehmen in der KI-Transformationsbewegung sich dazugesellen werden.
Vor allem in Hinblick auf telefonischen First-Level-Support aber auch Guiding und Coaching werden es in den kommenden Jahren große Unternehmen sein, die noch stärker auf KI setzen.
Wie davon profitieren?
Vor allem direkt davon betroffene Unternehmen wie Nvidia oder Microsoft werden dadurch ihre künftigen Gewinne noch weiter steigern können. Zusätzlich befeuert es den Konkurrenzkampf bei Google und Meta. Das Thema KI ist noch nicht vom Tisch und wird dank OpenAI nun abermals neu angefacht.
Asienkrise spitzt sich weiter zu
Verursacht durch die nach wie vor andauernde größte Immobilienkrise Chinas und einer schwächelnden Nachfrage am Kreditmarkt rutscht Chinas Wirtschaft immer tiefer in die Krise. Um der Krise irgendwie Herr zu werden, hat Peking diesen Freitag damit begonnen, Anleihen im Wert von 1 Billion Yuan (oder umgerechnet 138 Milliarden US-Dollar) auszugeben.
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Das ist aus dreierlei Gründen bemerkenswert:
In 26 Jahren hat China erst dreimal zu diesen Werkzeugen gegriffen, um die Konjunktur wieder anzukurbeln.
1998 - zur Bewältigung der Asienkrise
2007 - zur Einfuhr eines Staatsfonds
2020 - zur Bewältigung der Pandemie
Führt diese Vorgehensweise Pekings unweigerlich zu einem rasanten Anstieg der Schulden: Laut IWF dürfte Chinas Schuldenquote bis 2044 mehr als 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen. Das ist eine rund 50 Prozent höhere Schuldenquote, als für die USA prognostiziert.
Wurde Chinas Kreditwürdigkeit im April diesen Jahres zum ersten Mal herabgestuft, da sich die Verkäufe von Staatsanleihen verlangsamten, während die Kreditausweitung als Zeichen einer schwachen Nachfrage schlechter ausfiel als erwartet.
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Indes musste Japan am Devisenmarkt abermals intervenieren, da der Yen gegenüber dem Dollar über die 160er-Marke stieg und damit den niedrigsten Stand, seit Sommer 1990 erreichte.
Während China ein ähnliches Schicksal erst in 20 Jahren droht, zeigt Japan mit seinem derzeit bemerkenswerten Schuldenstand von 260 Prozent im Verhältnis zum BIP, wie eine außer Kontrolle geratene Schuldenpolitik nicht nur die Zukunft eines Landes vernichtet (Japan hatte in den letzten 20 Jahren kein BIP-Wachstum mehr über 2 Prozent), sondern sich auch in eine handfeste Währungskrise verwandelt.
Die Abwertung des Yen ist vor allem auf die hohen US-Zinssätze und gleichzeitig niedrigen Zinsen der Bank of Japan zurückzuführen. Japan kann aber seinen Leitzins nicht erhöhen, denn dann wären auf den enormen Schuldenberg Japans höhere Rückzahlungen zu leisten.
Wie davon profitieren?
Während in Hoffnung auf einer Erholung chinesische Aktien leicht gestiegen sind, beginnen sich in Japan allmählich die Anzeichen auf einen langen Abstieg zu verdichten. Doch auch in China trügt der Schein: Um die Exporte wieder anzukurbeln, müsste Peking seine Währung endlich abwerten. Machen die Verantwortlichen das aber nicht, droht der wirtschaftliche Zusammenbruch Chinas.
Japan steht dagegen am Anfang einer Währungs- und Finanzmarktkrise und ist von fiskalpolitischen Entscheidungen der USA abhängig. Sowohl von Japan als auch China sollten vorsichtige Börsianer derzeit ihre Finger lassen.
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